Stahlhelme träumen wieder von Streumunition

Die Aufrüstung mittels Reaktivierung von Geländesperren, die mit “STREUMUNITION” und “PANZERMINEN” gesichert werden, fordert ein Autor in der Militärzeitschrift “Schweizer Soldat”. Der Autor ist niemand geringeres als der Präsident der “Gesellschaft der Generalstabsoffiziere”. Ich bin echt erschüttert, dass dieser Artikel nicht längst Gegenstand der öffentlichen Diskussion ist.

https://www.schweizer-soldat.ch/2025/02/kriegsmaterial-einlagern-statt-ausbilden.html

Mit meinem Blogbeitrag zeigt auf, weshalb dies eine unglaublich unethische, illegale und dumme Idee ist und was dies gerade für eine Geländekammer wie das Linthgebiet an dramatischen Folgen haben würde…

  1. Streumunition trifft überwiegend Zivilpersonen – insbesondere Kinder und die Landwirtschaft

Je nach Munitionstyp und Bodenbeschaffenheit explodiert bis zu 40% von Streumunition nicht sofort – sondern noch Jahre später. D.h. gerade wenn z.b. in der weichen und mit Felderwirtschaft übersähten Linthebene oder im moorigen Ricken jemals Streumunition eingesetzt würde, wären die Chancen riesig, dass über Jahrzehnte Blindgänger explodierten – weil Kinder sie finden, Wanderer darüber laufen oder Landwirte beim bewirtschaften der Felder diese auslösen.

2. Ein Verstoss gegen das ratifizierte Übereinkommen über Streumunition

Die Schweiz hat 2012 überaus deutlich das internationale Übereinkommen gegen Streumunition übernommen. Sogar die sonst sehr Armeefreundlichen innerhalb der FDP und Mitte folgten damals am 5.3.2012 dem Verbot klar und deutlich. 2021 hatte die Schweiz sogar den Kontrollvorsitz über das sogenannte Oslo Abkommen. Wer dazu aufruft, dieses Abkommen nicht mehr einzuhalten ruft zum Rechtsbruch auf.

3. Die Schweiz kann die Geschosse nur innerhalb der Grenzen nutzen – Kollateralschaden ist riesig

Die Langzeitfolgen von Streumunition sind gewaltig. Da die Schweiz die Munition ja nur innerhalb ihrer Grenzen nutzen dürfte, würde man die dichtbesiedelten Grenzregionen und taktischen Geländekammern auf viele Jahre zur Sperrzonen machen – zahlreiche unschuldige Zivilisten würden den Preis für diesen zurecht geächteten Rüstungswahnsinn zahlen. Tschüss Rheintal, Linthebene, Seeztal, Fürstenland.

4. Wer dazu aufruft Gesetze “leise” zu brechen, erscheint besonders tollkühn

Ganz ehrlich: Wer so unglaublich eine Sache nicht zu Ende denkt, dass er in einer Zeitschrift mit 75’000 Leser:innen schreibt, dass man “nicht übertransparent der ganzen Welt kommunizieren” solle, wenn man seine weiter oben geforderte Streumunition in grossen Mengen wieder anschafft, hat glaub’s wirklich vom alten Stahlhelm ein bisschen viel Druck auf dem Stirnhirn abbekommen.

Ich habe wirklich Verständnis für die Ohnmacht vieler Armeekader, die schwere Defizite in der Ausrüstung sehen. Ja – da wurde wundgespart. Aber Streumunition zu fordern ist einfach eine rote Linie, die ein Armeeangehöriger nicht mal im Hirn überschreiten darf. Er schadet damit dem System, dem er dient. Es ist Pflicht eines jeden AdA das Recht einzuhalten und einzufordern. Gesetze mit absolutem Vorsatz brechen zu wollen ist besonders verwerflich – damit verrät man genau jene demokratischen Werte seines Landes, welche man mit dem Rechtsbruch aufrecht erhalten will.

5. Internationale Auswirkungen nicht absehbar

Es ist klar, dass mit der Forderung nach Streumun. die Diskursverschiebung ganz bewusst angestossen werden will. Die Mechanismen von Diskursverschiebungen sind uns längst bekannt und zerstören Demokratien und sägen an Menschenrechten. Damit kann man als Partei populistisch Wahlgewinne erwirtschaften, der Verteidigung des Landes dient es jedoch kein wenig. Das man sich mit der Missachtung von internationalen Abkommen gehörig ins Abseits stellt ist das Eine – das Andere ist die Schwächung des Abkommens selbst. Dies steht einem Land wie der Schweiz schlichtweg nicht zu, welches immer auf das Verteidigungsbündnis der Nachbarstaaten angewiesen sein wird.

6. Als dicht besiedeltes Land verteidigt man sich mit Diplomatie – nie mit Waffen

Wir brauchen ganz bestimmt eine Armee – aber vorallem deshalb weil die Kantönlischweiz nur eine Organisation wie die Armee hat, welche schweizweit agieren und reagieren kann und nicht nur bis zu den Kantonsgrenzen denken darf. Sollte tatsächlich nochmals die “Panzerkolonne des Böfei aus Ost” anrucken, dann kann man soviel aufrüsten wie man will: Es gibt mit Waffen die ganze Landstriche unbewohnbar machen, wenig zu retten aber viel zu verlieren. Damit setzt man einfach die Zahl der “Kollateralschäden” für Jahrzehnte höher. Tatsächlich bräuchten nicht mal die Hälfte der Soldaten ein eigenes Gewehr, weil sie einen rein technische Funktion haben. Wir haben schlichtweg auch kein “Kanonenfutter”. Wenn wir von Streumunition sprechen, sprechen wir immer auch von “Sterben unter eigenem Feuer” – denn diese Waffen würden eingesetzt um die eigenen Infanterie zu unterstützen. In den Irakkriegen starben bis zu 1/4 unter “friendly fire”. Ich glaube nicht, dass die Schweizer Bevölkerung diese Verluste in der eigenen Armee tragen würde.

Statt mit grossen Kalibern zu schiessen muss man verhandeln, pflegen, retten, aufbauen, sichern. Der Ruf nach unlauteren Mitteln in Form von Panzerminen und Streumunition ist einfach Kriegstreiberei auf Kosten jedweder demokratischer Vernunft.

Krisen wird es immer geben – aber selten in der Form eines heissen Kriegs

Da die Kantone z.b. längst bewiesen haben, dass sie die Gesundheitsversorgung, Polizei und Rettungselemente aus Geiz und Steuerwettbewerb niemals mehr auf Krisen ausgerichtet haben, tun wir gut daran, statt teure Munition die Sanität, Sicherheit und Rettungstruppen hoch zu fahren. Krisen wird es bestimmt noch so manche geben – soll ja garnicht so lange her sein, dass uns eine überrollte. Die demokratischen Nachwehen sind noch immer spürbar.

Dank der Sicherheitsverbundübung SVU 2014 hätten wir 2021 ganz genau gewusst, was uns alles fehlt… Doch zuerst scheiterte mal die Armee daran, dass sie keine Masken hatte und danach daran, dass das entsendete Unterstützungspersonal mangels Qualifizierung in Spitälern nicht eingesetzt werden konnte. 2014 wurde das Übungsszenario von Armee, Zivilschutz, Polizei, San und Feuerwehr belächelt – dabei war das Thema “Pandemie und gleichzeitige Strommangellage” doch irgendwie garnicht so schlecht gewählt. Übrigens kann ich jedem die Auswertungen der SVU 2014 schwer empfehlen: Da erkannte man zum Beispiel, dass uns vieles fehlen wird und die Koordination nicht geklärt ist 😉 Die Auswertung des Kantons Solothurns könnte man als Blaupause der Pandemieprobleme 2021 und der ausgerufenen Strommangellage 2023 verwenden. Das Szenario bzw. die Probleme traten 1:1 auf…

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