500kg Kunststoff in die Natur werfen

Unlängst wurde ein Kunstrasen in Betrieb genommen, der voraussichtlich 500 kg Kunststoff pro Jahr verliert. Gleichzeitig erhielten alle Eschenbacher Haushalte einen Sack um das künftige Kunststoffrecycling an zu kurbeln. Eine Spurensuche zum Thema “Greenwashing” .

Plötzlich ist der Bach rot

Als im Frühjahr 2020 der rote Platz beim Kirchacker neu versiegelt wurde, staunte ich nicht schlecht: Der Mürtschenbach hinter der Renault Garage war voller Kunststoffgranulat. Ich meldete dies sofort der Gemeinde. Passiert ist wenig. Keine Strafanzeige, kein Verfahren. Seither bin ich dem Bach auf der Spur und brachte so manches in Erfahrung. Übrigens: Im Bach finden sie immer rotes Granulat – Die Rinnen beim Kirchacker sind voll davon.

Mürtschenbach – seit jeher Müllkippe und Düngerabfluss in einem

Wie die meisten Bürger:innen mittlerweile wohl wissen (sollten) gibt es nur einen einzigen Grund dafür, dass wir die Tiefgarage Dorf auswärts bauten: Man hatte Angst von den ca. 2Mio. Fr. für Altlasten unter dem Dorftreffparkplatz – Dieser ist eine einzige alte Müllkippe. Zudem fliessen seit jeher die ganzen Düngerberge der Fussballplätze durch die völlig zerdrückten und durchwachsenen Rohre unter dem Dorftreffparkplatz. Tolle Mischung: Stickstoff, Kunststoff, Ammonium, Nitrit, Nitrat und all der Güsel unbekannter Zusammensetzung. Der Bach schäumt und schliert nach jedem Regen. Es gibt keine Wiese die derart gedüngt und gleichzeitig derart drainagiert ist, wie ein Fussballrasen. Zudem war die Erde des alten Hauptplatzes besonders bescheuert in den 00er Jahren mit Kunststoffschnitzeln vermischt worden, damit er “ein bessere trocknende Bodenstruktur” erhält. Dieser eigentliche Sondermüll liegt nun im Steigriemen Gommiswald als “normaler Aushub”. Schliesslich wollte man nicht teuer entsorgen. Gewusst haben es alle. Trotzdem wurde die neuen Bauten& Anlagen beim Dorftreff dieser völlig desolaten Ableitung angehängt. Vielleicht auch einfach darum, weil es eine wasserbauliche Bewilligung gebraucht hätte, wenn man ein neues Rohr in den Bach geleitet hätte und damit grundsätzliche Fragen zur Altlast und zur längst fälligen Bachfreilegung aufgekommen wären. So flog’s unter dem Radar durch.

Grüner Rasen = Düngerberge

Fussball und Natur zusammen zu denken, schafft in unserer Gemeinde leider nur das FC Walde. Das grün des FCE Naturrasens basiert auf Kunstdünger: 1x pro Jahr: Hersan – das wird in etwa mit 25kg/800m2 ausgebracht. N-P-K (Stickstoff-Phosphor-Kalium)  20-3-5 + 1.5 Mg danach alle 4-5 Wochen Bellmontpark 25kg/600m2 = NPK 16, 7, 12 plus Magnesium, Eisen, Mangan, Bor, Schwefel und enthält Zeolith (Bodenverbesserer). Der Witz: Eigentlich steht auf der Verpackung, dass dieser “Langzeitdünger für 3 Monate” ausgelegt ist – wegen der hohen Wasserdurchlässigkeit (Drainage) bringt man den Dünger stattdessen alle 4-5 Wochen aus. Das landet alles im Bach.

Schlimmer geht immer: Ein verfüllter Kunstrasen

Ich meide Fussballplätze wie der Teufel das Weihwasser. Grund dafür sind vor allem einige Seilschaften die sich dort fanden, welche heute die Zügel des Geldes der Region via Pensionskassen, Treuhandfirmen und Banken in den Händen halten und heute noch mit Bierbecher in der Hand mit allen einen auf Kumpel am Spielfeldrand machen und seit Jahren dieselben Sprüche klopfen. Dennoch gab es diesemal einen Grund für mich, das “Grün” zu besuchen.

Da die Schule es wohl an der Zeit fand, den “König Fussball” auf ein Podest heben zu müssen, gab es eine Schüler:innen Fussball- WM. Entsprechend war ich als Vater dann doch mal am grünen Spielfeldrand. Sehr schnell sah ich jedoch nicht nur spielende Kinder, sondern der blanke Wahnsinn: Berge von geschäumten EPDM Granulat – in den Rinnen! Ich hob die lose Ecke und fand noch mehr: Berge von verklebtem Gummigranulat und darunter offenporiger versickerungsfähiger Teerbelag. Grossartige Mischung für das Grundwasser und die Bäche. Das Interesse war geweckt- die Recherche über “Kunstrasen” begann.

Kanton SG: 16 Tonnen Granulat landet pro Jahr im Schacht.

Landauf landab stehen Kunstrasen in der Kritik. Jede grössere Gemeinde oder Stadt musste in den letzten Jahren viele Fragen an Journalisten oder Parlamenten beantworten. Sie schufen dabei viel Einsicht und beeindruckende Fakten: Kunststoffverfüllte Kunstrasen verlieren zwischen 500kg – 1000kg Kunststoffgranulat an die Umwelt – pro Jahr! Nicht wenig davon in Form von Abrieb und Mikroplastik via Versickerung und Ablauf. In Eschenbach blickte man offensichtlich nicht über den Tellerrand, sondern machte nur Erhebungen unter den Nutzern: Das Fussballspieler wurden befragt, was sie am liebsten hätten. Sozusagen als Ersatz für die fehlende “Grünen” ;-). Mindestens einen Grünen hätte man aber hören können: Lange vor der Kunstrasenauftrag öffentlich ausgeschrieben wurde, hat der grüne Kantonsrat Marco Fäh aus Kaltbrunn mit einer Interpellation genau zu diesem Thema national Schlagzeilen gemacht. Die Regierung des Kt. SG zitierte in der Antwort: “Eine Studie des deutschen Fraunhofer Instituts hat im Jahr 2018 zur Einschätzung geführt, dass Kunstrasenplätze die fünftgrösste Quelle von Mikroplastikemissionen darstellen.” oder: “im Kanton St.Gallen jährlich durchschnittlich rund 16 Tonnen Granulat in die vorhande- nen Kunstrasenfelder «nachgefüllt» worden. Dieser Anteil gelangt über Abschwemmung und die Entfernung von Schneemassen in die Gewässer und Kanalisation.” Wenn man dann auch noch weiss, dass z.B. rund 3/4 der gefangenen Fische im Bodensee Mikroplastik enthalten, wird’s endgültig unappetitlich.

Ladenhüter verbaut – EU verbietet kunststoffverfüllte Plätze.

In der EU werden die mit Kunststoffgranulat verfüllten Plätze aller Voraussicht nach per 2022 mit einer 6 jährigen Übergangsfrist verboten. Gratulation: Wir haben einen Ladenhüter verlegt- wobei man in Eschenbach doch tatsächlich noch stolz war, dass man “den besten” für einen günstigen Preis erhalten hat. Ein Blick über die Grenze zeigt: Die grossen Sportstättenbauer sehen mittlerweile ein, dass das Verbot kommt und bewerben deshalb keine kunststoffverfüllte Plätze mehr. Entsprechend konnte Walo den Platz sicher günstig offerieren. Schliesslich gibt es eine riesen Überproduktion an Granulat.

Alleine Norwegen rechnet mit 3000 Tonnen Kunststoffgranulat von Fussballplätzen in ihren Fjorden. Als nächstes wird dann Holz, Sand oder die letzten Korkresten des Planeten verfüllt. by the way: Auf einem einzigen Sportplatz liegen bis zu 30 Tonnen Kunststoff und Gummischrot. Das wäscht sich noch ganz lange aus!

Das ganze Regenwasser über die Kläranlage und später in den Bach

Seit der “Rasen” eingebaut ist, muss die ARA auch noch das Abwasser des ganzen Kunstrasenfelds aufnehmen. Es mussten extra zwei Entwässerungssysteme verbaut werden: Eines für die erste Zeit nach dem Einbau (der dauert noch eine Weile) und ein zweites für die Ableitung in den Bach. Das Amt für Umwelt lässt erst Einleitungen in Gewässer zu, wenn der Schadstoffgehalt der Summenparameter DOC (gelöster organischer Kohlenstoff) unter 10mg/l ist. Hört sich nach einer sauberen Lösung an, ist aber weit gefehlt. Eschenbach hat keine Filteranlage für Mikroplastik. Schmerikon muss demnächst eine bauen, weil sie auf Grund der angeschlossenen Einwohner zuviel Wasser in den See ausleiten. Eschenbach macht das via Stollen zwar eigentlich genauso, aber hat sich auf Grund der Grösse nochmals drücken können. Fazit: Hoffentlich landen derzeit die grösseren Körner vorläufig im Sammelschacht beim Dorftreff oder beim Rechen in der ARA. Alle klitzekleinen schwebenden Auswaschungen und Abriebe gehen jedoch schon heute ab in den See. Sobald man unter den 10mg/l DOC beim Messschacht im Dorftreff ist, werden die Fische und Bachlebewesen mit 9,9mg/l DOC gefüttert.

Alternative: Regenwasser als Kühlwasser auffangen und vor Ort aufbereiten

Die Alternative war seitens der Abwasserfachleute in der Gemeinde mehrfach eingebracht worden: Regenwasser vor Ort auffangen, aufbereiten und wieder verwenden. So ein Kunstrasen braucht nämlich auch ganz viel Wasser: Zum Kühlen im Sommer. Das wäre aber deutlich teurer geworden. Prinzipiell musste da ohnehin irgend jemand sehr grosszügig mit der Bewilligung umgegangen sein: Es gibt im Wasserbau den Grundsatz, dass eine Zuleitung in ein Gewässer maximal 1/3 der Wassermenge des Fliessgewässers ausmachen dürfte. Der Mürtschen/ Rietbach ist ein einziges Rinnsal – der Drittel ist schnell erreicht.

Zu guter Letzt jedoch auch noch Positives zum neuen Feld!

Drei Dinge möchte ich trotz der Kritik unbedingt dennoch los werden:

  1. Es ist grossartig, dass der neue Platz endlich von allen benutzt werden darf. Der Platz ist 7/7 von Morgen bis Abends genutzt. Das ist grossartig im Sinne der allgemeinen Bewegungsförderung.
  2. Jeder Verein und sicher gerade vorallem auch das FC trägt sehr viel zur Integration bei. Auch die Frauenarbeit des FCE ist vorbildlich und es ist wirklich grossartig, wieviel Fronarbeit insgesamt von all den Trainer:innen und Platzwarten geleistet wird und wurde. Das heute jede Mannschaft jedoch bald 3x pro Woche auf dem Rasen oder in der Halle stehen muss, ist jedoch zu hinterfragen. Das es kaum einen Verein gibt, der soviel Trainingsflächen in der Halle wie auch auf der Wiese krallt, ist bekannt. Entsprechend kann man das FC durchaus zugleich rühmen und dennoch kritisieren: All das Geld für ein- und denselben Sport (+ Stellenprozente, weil per sofort die Gemeinde den Rasen pflegt und nicht mehr das FC) plus eine veritable Umweltverschmutzung, darf bzw. muss hinterfragt werden. Wo viel Licht ist, ist immer auch ganz viel Schatten – und das FC hat wohl das grellste Licht aller Vereine. Es gibt Dutzende andere Vereine, die ebenso im Fokus stehen dürften oder gefördert werden könnten – ohne dermassen die Umwelt zu belasten.
  3. Im Lichte dieses Mikroplastik-Wahnsinns ist der Plastiksammelsack geradezu ein einziges Greenwashing-PR-Projekt der Gemeinde Eschenbach. Es gleicht nur ein kleines bisschen aus, was wir der Umwelt an tun. Das derzeit der Sack nach Österreich gekarrt werden muss und bis vor kurzem noch im ehemaligen Ostblock sortiert wurde, ist ebenfalls Bullshit der wiederum nur mit Greenwashing -Phrasen schön zu reden ist. Unser Müll geht an die EU-Punkt. Es wird aber besser: Wenn wir kräftig sammeln, wird sich das Recycling immer mehr lohnen und die Prozesse können näher am Entstehungsort oder irgendwann gar in unserer Region umgesetzt werden. Sammeln Sie bitte mit!

PS: Liebe Gemeinde Eschenbach, liebes Ing. Büro Brunner: Wenn bei der ersten Rückfrage bei Büro Brunner sofort ein Maulkorb seitens Sportplatzkommission an den Bauing. Brunner&Partner verteilt wird, ist man sich gleich sicher, DASS ES ORDENTLICH WAS ZU VERBERGEN GIBT. Ich staune immer wieder über diese Rückständigkeit und Naivität.

Ein Gedanke zu „500kg Kunststoff in die Natur werfen“

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